Freitag, 20. Juni 2014

Im Feuer des technischen Fortschritts

Morgen ist der längste Tag des Jahres und auch vor Bremen macht die derzeit größte Sportveranstaltung der Welt keinen Halt. An den Autos hängen wieder die Deutschlandflaggen und die Public Viewings sind voll von Fußballfans. Genug Grund also, die Bücher einmal zuzuklappen und in netter Gesellschaft das eine oder andere Spiel zu sehen.

Trotzdem gibt es in der Ausbildung auch jede Menge neuen Stoff und je weiter die Zeit voran schreitet, desto konkreter und praxisbezogener werden die Inhalte. Besonders interessant ist das Fach Radio Navigation. Hier geht es nämlich darum, wie man sich in der Luft orientiert. Klingt einfach und banal, ist es aber nicht wirklich. Sich in den Lufträumen über Deutschland und dem Rest der Welt zurecht zu finden ist eine große Herausforderung und trotz modernster Technik in den heutigen Flugzeugen ist Navigation noch immer einer der wichtigsten Bestandteile der Pilotenausbildung.

Wenn man früher mit dem Auto von A nach B fuhr, dann guckte man vorher in die Straßenkarte, fuhr los und orientierte sich an den Straßenschildern. Hatte man sich verfahren, fuhr man rechts ran, guckte noch einmal in die Karte, oder fragte jemanden nach dem Weg. Irgendwann kam man schon an und alle waren glücklich, besonders wenn es zwischendrin auf der Raststätte noch ein Schnitzel und ein Bier gab. Mittlerweile hat im Regelfall beinahe jedes Auto ein Navigationssystem an Bord, ob jetzt mobil oder fest eingebaut und all die, die keins haben fahren meiner Meinung nach nur noch aus Überzeugung ohne. Es erleichtert ja schon so einiges...

Sich mit dem Flugzeug zu orientieren war nie so besonders einfach. Hier gab es zwar auch Karten, dafür aber keine Wegweiser und rechts ranfahren war auch früher kein Bestandteil der Pilotenausbildung. Aus diesem Grund war man hier schon früh auf technische Hilfsmittel angewiesen. So ungefähr 70 Jahre bevor die ersten Navigationssysteme in Autos auftauchten gab es so etwas schon in Flugzeugen. Keine schönen Bildschirme mit kleinen Symbolen drauf und einer metergenauen Bestimmung des Standorts, aber damals war es durchaus schon möglich damit von A nach B zu finden.

Die ersten Flieger Anfang des 20. Jahrhunderts navigierten noch eher bescheiden: Sie orientierten sich schlichtweg am Boden. Entlang von Flüssen oder Straßen fanden sie ihren Weg, wenngleich sicherlich nicht auf der schnellsten und kürzesten Route. Aber darum ging es auch nicht, sondern man war froh, wenn der Pilot heil am Ziel ankam. Den ersten Schub bekam die Fliegerei und damit auch die Navigation dann vor und in den Zeiten des ersten Weltkriegs. Mittlerweile war die kommerzielle und militärische Luftfahrt geboren und man kam darauf, dass Zeit Geld bedeutete, oder eben über Leben und Tod entschied. Also musste etwas her, was Flugzeiten zwischen Orten kürzer werden ließ und baute man auf einigen viel beflogenen Strecken in regelmäßigen Abständen Türme, die man aus der Luft sehen konnte. Diese Orientierungspunkte konnte man aber nur bei Tag benutzen. Da es bereits Postflüge zwischen größeren Städten gab musste etwas gefunden werden, was auch eine Orientierung bei Nacht ermöglichte: Die ersten Wegefeuer wurden errichtet und so brannten z.B. nachts zwischen Berlin und Danzig in regelmäßigen Abständen Feuer, an denen sich die Piloten orientieren konnten. Damit war aber nur das Fliegen bei guter Sicht möglich. Doch dann kam die Funknavigation, die heute noch in der Fliegerei ganz aktuell ist.

Funktechnik war bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt und fand um die 1930er Jahre auch Einzug in die Luftfahrt. Abgeleitet von den Wegefeuern, wurde nun mit sogenannten Funkfeuern navigiert. Das waren und sind auch heute noch Sender, die an genauen Positionen stehen und der Pilot über spezielle Instrumente im Cockpit angezeigt bekommt, in welche Richtung diese Station ungefähr liegt. Diese sogenannten ungerichteten Funkfeuer, oder NDBs (Non-Directional Beacons) haben die Funknavigation über Jahrzehnte geprägt und wurden stetig weiterentwickelt. Heute gibt es sogenannte Drehfunkfeuer oder VORs, die neben der Richtung auch den Steuerkurs, die Entfernung und zum Teil sogar Wetterinformationen übertragen. Davon stehen in Deutschland heute 61 Stück und sie sind essentieller Bestandteil der kommerziellen und privaten Luftfahrt. So führen Flugrouten heute noch häufig von Funkfeuer zu Funkfeuer. Bis die 1980er Jahre hinein war diese Art der Navigation absoluter Standard in der kommerziellen Luftfahrt.
Ein sog. ADF-RMI: Durch Kreuzpeilung (jeder Pfeil zeigt auf eine andere Station)
 kann man seine Position feststellen. Ob in der Mitte steht der aktuell geflogene Kurs.
Aber der Fortschritt macht keine Pause und so hat GPS auch in Flugzeugcockpits Einzug gehalten.  Hier sind in den Karten, die das GPS zugrunde legt Wegpunkte abgespeichert - und zwar Weltweit. Diese existieren nur virtuell und bestehen immer aus fünf Buchstaben, z.B. RILAX. Diese Wegpunkte haben den großen Vorteil, dass man direkter und flexibler fliegen kann und so Zeit und Geld spart. Jedes moderne Passagierflugzeug ist heute mit Satellitennavigationssystemen ausgestattet. Das hat den einfachen Grund, dass diese Art der Navigation um einiges genauer ist, als Funknavigation: Während man mit Funkpeilung die Position auf ein paar Meilen genau feststellen kann, geht das mit GPS auf weniger Meter genau - es stellt sich also nicht die Frage, welche Technologie in Zukunft die führende sein wird.
Anflugroute auf den Flughafen Zürich. Von diesen Wegpunkten gibt es tausende weltweit.
Der internationale Großflughafen Bremen hat tatsächlich eine Besonderheit installiert: Er ist einer der ersten, die ein neuartiges Instrumentenanflugsystem in Betrieb haben. Das sogenannte Ground Based Augmentation System (GBAS) bietet die Möglichkeit, bei schlechtester Sicht auf einen Meter genau die Landebahn zu treffen. Bei der Geschwindigkeit wie der Fortschritt voranschreitet, wird man bei meinem Rentenantritt wahrscheinlich in der Lage sein, ein Flugzeug automatisch auf einer Briefmarke aufsetzen zu lassen. Zwar faszinierend, aber wo bleibt da der Spaß?

1 Kommentar: