Montag, 5. Mai 2014

Von technisch versierten Rechts-Psychologen

"Muss man als Pilot nicht voll gut in Mathe und Physik sein?" Diese Frage habe ich - neben vielen anderen - in letzter Zeit sehr oft gehört. Und würde sie nicht grundsätzlich mit nein beantworten, aber es ist bei Weitem auch nicht so, dass wir hier alle die absoluten Mathe- und Physikgenies sind. Ich würde sogar behaupten, dass beide Fächer bei den meisten von uns nicht zu den beliebtesten in der Schule gehört haben. Mathe und Physik bilden die Grundlage für das technische Verständnis, das man braucht, um zu verstehen, wie ein Flugzeug und all die Systeme darin und drumherum funktionieren. Aber das allein reicht beim besten Willen nicht aus um Pilot zu werden:

Neben technischem und damit naturwissenschaftlichem Verständnis spielt das Thema Recht eine wichtige Rolle. Die Zeiten, als man an Punkt A startete und in ein paar Stunden direkt nach Punkt B flog, die sind seit schätzungsweise 100 Jahren vorbei. Am Himmel gibt es nämlich Vorschriften und davon gar nicht so wenige. Wer sich in der Vergangenheit darüber aufgeregt hat, wie komplex doch die deutsche Straßenverkehrsordnung ist, wie viel man da beachten muss und was man alles NICHT darf, der sollte mal einen Blick in deutsches, europäisches, oder internationales Luftrecht wagen. Davon abgesehen, dass man in der Verkehrsfliegerei (ausdrücklich nicht der Privatfliegerei!) noch nicht einmal selbst entscheiden darf, wann man seine Triebwerke anlässt, geschweige denn, wann man startet, darf man selbst seine Flugroute nicht selbst bestimmen, sondern muss sich diese immer  - zumindest über unserem verkehrsreichen Europa - von einem Fluglotsen genehmigen lassen.

Damit gibt es schon zwei wichtige Pfeiler für das Berufsbild Pilot. Aber es gibt noch einen dritten, der auch nicht ganz zu unterschätzen ist: Das menschliche Leistungsvermögen, oder, wie es hier genannt wird, "Human Performance and Limitations". Zwar ist es auf der einen Seite gut, viel Ahnung von der Technik die einen umgibt zu haben und sich auch sicher zu sein, dass das was man tut auf rechtlich stabilen Füßen steht, aber was nützt einem das alles, wenn man dabei die Fassung verliert, oder mit seinen Mitmenschen nicht klarkommt? Im Cockpit verbringt man den ganzen Tag auf engem Raum mit Menschen, die man im mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie vorher gesehen hat und muss sich sofort zu 110% auf einander verlassen können. Da ist es zum einen wichtig, dass man als Typ in dieses Arbeitsumfeld passt - darum kümmert sich auch schon das DLR bei den Auswahltests in Hamburg. Zum anderen spielt aber auch eine große Rolle, dass man in brenzligen Situationen die Fassung behält und gemeinsam die richtigen Entscheidungen trifft. Das ist plausibel und erwartet man auch von einem Piloten. Allerdings gehören da auch Dinge dazu, wie Konflikte an Bord konstruktiv anzugehen. Was passiert, wenn man auf einer 5-Tagestour einen Kollegen neben sich sitzen hat, mit dem man so gar nicht klarkommt? Was, wenn es in der Kabine zu einem Streit zwischen Kollegen kommt, oder ein Gast alkoholisiert andere Passagiere terrorisiert?

Neben all diesen Sachen, ist es aber auch sehr wichtig, wie gut man sich selbst einschätzen kann. Und da wird es spannend: Man bekommt hier nämlich wunderbare Dinge, wie Entspannungstechniken, Atemübungen und die aktive Einflussnahme auf den eigenen Gemütszustand beigebracht. Und prompt findet man sich im Biologieunterricht der Oberstufe im Gymnasium wieder, denn da man ja alles, was einem erzählt wird, auch mit Hintergrundwissen ausgeschmückt verstehen soll, wird kräftig über Synapsen, Neurotransmitter und Axone gesprochen. In diesem Zusammenhang fällt dann auch der Begriff der Betäubungsmittel. Darunter fallen nicht nur die Dinge, die man normalerweise im Frankfurter Bahnhofsviertel bekommen kann, sondern auch Medikamente und zwar nicht nur verschreibungspflichtige. Offiziell darf man im Cockpit keine Ibuprofen-Tablette gegen Kopfschmerzen nehmen, ohne dass ein Fliegerarzt dem zugestimmt hat. Das bedeutet also auch, dass man zuhause bleibt, wenn man den leisesten Anflug einer Erkältung spürt. Interessant.

Entspannungstechniken im HPL Unterricht am 05.05.2014. v.l.: Florin, Alex, Neel und Tobi


Nun, jetzt stehen wir noch ganz am Anfang und sicherlich kommt in den nächsten Jahren noch das eine oder andere Aha-, oder Oho-Erlebnis, aber so langsam fängt das Bild an farbig zu werden. Das Berufsbild des Piloten hat durchaus mehr zu bieten, als auf die Frage: "Pilot? Muss man da nicht so einen krassen Sporttest machen?" reduziert zu werden. In diesem Sinne, einen guten Start in die Woche - ohne Kopfschmerzen!

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