Sonntag, 27. April 2014

Theorie in der 3-Tage-Woche

Eine kurze Woche ist zu Ende, eine noch kürzere fängt morgen an. Wenn ich jetzt auf den Kalender gucke und sehe, dass es schon fast Mai ist, dann stelle ich fest, dass wir schon ein gutes Sechstel unseres ersten Theorieblocks vor Phoenix geschafft haben und wenn ich auf die Berge an Ordnern blicke, die in meinem Regal stehen, dann weiß ich auch, dass das Tempo straff bleiben wird.

Nachdem ich es immer mal wieder angesprochen habe, möchte ich heute ein kleines bisschen genauer beschreiben wie die Theorieausbildung aufgebaut ist und wo unser Kurs da gerade steht. Es unterscheidet sich nämlich doch von einer Universitätsvorlesung:

Wir haben hier einen Gesamtstundenplan, der einmal im Monat neu herausgegeben wird und wo alle Unterrichtsstunden aller Kurse erfasst sind. Da der Theorieunterricht hier sehr stark - bzw. hauptsächlich - auf die Anforderungen des Luftfahrt Bundesamts (LBA), bzw. der EASA zugeschnitten ist, sind die Fächer auch thematisch so aufgeteilt, dass sie den späteren Prüfungsfächern entsprechen - insgesamt 14. Das ist so in der EU Verordnung Nr. 1178/2011, Teil FCL, Flight Crew Licensing festgeschrieben ;-). Diese Fächer wiederum sind in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die zum Teil vor, zum Teil nach Phoenix in den internen Prüfungen abgefragt werden.

Stand heute haben wir sieben Fächer parallel:

  • Air Law & ATC Procedures: Im Allgemeinen das Luftrecht, mit Informationen zur Zulassung von Flugzeugen, internationalen Organisationen und Regelungen im Luftverkehr.
  • Airframe & Systems: Technischer Aufbau eines Flugzeugs und Belastungen wirken während des Fluges auf die verschiedenen Bauteile.
  • Electrics: Beschreibung und Funktionsweise aller wichtigen elektrischen Systeme im Flugzeug, aber auch Grundlagen der Elektrotechnik, wie Aufbau und Funktionsweise von Relais, Dioden und Transistoren
  • Principles of Flight: Warum fliegt ein Flugzeug? Und noch ein bisschen mehr.
  • Human Performance & Limitations: Ein Fach, um sich selbst ein bisschen besser kennen zu lernen. Wo sind die eigenen Grenzen? Auf welche menschlichen Faktoren kommt es im Cockpit an?
  • Meteorologie: Wetter, Wetter und noch mehr Wetter.
  • General Navigation: Wie komme ich am schnellsten von A nach B und wie schaffe ich das möglicherweise auch mit Hilfe von Sternen?
Die Fächer sind alle sehr umfangreich aufgebaut und fordern die volle Aufmerksamkeit, inklusive einer Nachbereitung. Aber was wäre so ein Unterricht, wenn er nicht von einem guten Lehrer gehalten würde? Wir haben hier das große Glück, wirklich rundum gute Lehrer zu haben, die auf ihrem Gebiet eine unglaubliche Erfahrung aufweisen können. Und das heißt keinesfalls, dass alle Lehrer heir Piloten sind. Ganz im Gegenteil, denn wenige haben direkt mit der Fliegerei zu tun. Gut, durch den Job und den Arbeitgeber lässt sich das schwer komplett ausschließen, aber es gibt durchaus einige Lehrer, die keinen fliegerischen Hintergrund haben. Ein gutes Beispiel ist da das Themengebiet Navigation: Die Navigationslehrer haben zum großen Teil einen nautischen Hintergrund und sind früher zur See gefahren. Die Elektrotechnik Lehrer sind eben Elektrotechniker und wissen, wie man aus einem Toaster und einem Rasierapparat einen Polizeifunkempfänger baut. So haben sie alle ihre ganz besondere Art und das trägt oft dazu bei, dass eigentlich sehr trockener Stoff ein kleines bisschen Feuchtigkeit abbekommt.

Blick auf den Flugsteig A am Frankfurter Flughafen am 21. April 2014
 

Sonntag, 20. April 2014

Ostern, Feiertage und die Arbeitszeit

Aufgrund von Ostern ist mein Schreibrythmus ein wenig in Verzug geraten, weshalb dieser Post erst heute kommt. Ich bitte das zu entschuldigen :-).

Es war eine kurze Woche - glücklicherweise! Denn seit Mittwoch sind wir nicht mehr die "jüngsten" an der Verkehrsfliegerschule in Bremen. Jetzt sind mit dem 412. NFF 15 weitere Flugschüler da, die an genau der Stelle anfangen, wo wir vor fünf Wochen standen. Sprich, jetzt dürfen sich die nächsten durch den Starter Course quälen - muhaha! Die Freude über die neuen Kollegen ist natürlich immer immens, sodass ein angemessener Empfang und die dazu gehörige Feier nicht fehlen dürfen. Gesagt, getan, aber Zeitpläne sind straff, der Unterricht beginnt immer pünktlich um 8:20 und ist auch nicht vor 14:15 wieder vorbei. Da gab es jetzt ein wenig nachzuholen.

Am Donnerstag nach dem Unterricht habe ich mich ins Flugzeug gesetzt und bin gen Süden aufgebrochen, um Ostern gemeinsam mit der Familie zu verbringen. Es ist sehr angenehm, jetzt vier Tage frei zu haben und sich Zuhause ein bisschen verwöhnen zu lassen und über die Feiertage zu entspannen. Aber wenn ich so nachdenke, wird der spätere Job so ein "geregeltes" Leben sicherlich nicht unterstützen. Die Flugzeuge der Lufthansa Gruppe fliegen jeden Tag - und selbst bei Streik noch vereinzelt - in der Welt umher und dann ist es auch klar, dass irgendjemand diese Flugzeuge steuern muss, sodass sicherlich auch irgendwann ich am Ostersonntag in 36000 Fuß Höhe der Crew und den Passagieren frohe Ostern wünsche, während ich mein gefärbtes Ei schäle.

Während des Bewerbungsverfahrens wurden wir immer wieder darauf angesprochen und gefragt, ob die unregelmäßigen Arbeitszeiten wirklich "unser Ding" sind. Dann arbeiten zu müssen, wenn alle anderen frei haben, mal sehr früh aufzustehen, mal mitten durch die Nacht zu fliegen. Ganz ehrlich muss ich sagen, dass mir das - Stand heute - sehr wenig ausmacht. Gut, jetzt habe ich noch keine Erfahrung darin und man möge mich nach den ersten Berufsjahren noch einmal fragen, aber wie sieht es mit den Vorteilen aus? Auf der einen Seite dann arbeiten, wenn andere frei haben, aber auf der anderen eben auch dann frei zu haben, wenn andere arbeiten müssen. Das beste Beispiel für mich sind hier die Langstreckenflüge durch die Nacht. Da kann ich mich an ein markantes Erlebnis auf einem Flug von Dubai nach Frankfurt erinnern: Abflugzeit in Dubai damals 2:35 Uhr Ortszeit, also mitten in der Nacht. Neben mir saß ein deutscher Angestellter einer deutschen Firma, der scheinbar in Dubai lebte und geschäftlich auf dem Weg zu einem Termin war. Er beschwerte sich den ganzen Flug darüber, wie eng doch die Sitze seien, wie unfreundlich das Personal an Bord sei, dass die anderen Passagiere ja keinen Sinn für Ruhe hätten usw. Als wir gegen 6:00 Uhr in Frankfurt landeten ließ er noch einmal alle ihn umgebenden Passagiere wissen, dass er ja jetzt ins Büro müsse und sich wahrhaftig Schöneres vorstellen könne und alle anderen Schuld daran hätten, dass er jetzt schlechte Laune habe. Und die Crew? Die hatte nach diesem Flug Feierabend und war pünktlich zum Frühstück zuhause. Da musste ich gar nicht lange überlegen, wie meine Geschäftsreisen in Zukunft aussehen sollen, nämlich dann Feierabend zu haben, wenn die anderen arbeiten müssen.

Warum ist es am Rhein so schön? Blick auf das Siebengebirge von Bonn Plittersdorf aus gesehen am Ostersamstag
Jetzt wünsche ich allen frohe Ostern, ein ruhiges, lebhaftes, ereignisreiches, entspannendes, oder "wie auch immer die Präferenzen sein mögendes" Osterfest an einem Ort des Wohlfühlens. Ich werde es dem gleichtun und mich beizeiten an dieser Stelle wieder bemerkbar machen.

Freitag, 11. April 2014

Fliegen - die Liebe eines Lebens

Der Starter Course ist geschafft und bestanden. Das war wichtig für Ego und Gewissen und hat ja letzten Endes auch geklappt. Jetzt kommt erst einmal eine Zeit, in der wir uns auch ein bisschen auf das Bremer Leben konzentrieren und auf den kommenden Sommer freuen können.

Die letzten Wochen haben wir hier an der Schule in Lehrsaal 17 verbracht. Ein mit modernster Technik wie Overhead Projektor und Kreidetafel ausgestatteter Schulungsraum. Aber auch vor der Verkehrsfliegerschule macht der Fortschritt nicht halt, mittlerweile ist hier auch ein Beamer verbaut. Lehrsaal 17 ist wie alle Schulungsräume in Richtung des Flughafens gelegen und wenn Piste 27 in Betrieb ist*, dann sieht man die Flugzeuge sehr schön starten. Und anders als an der Schule früher fühlen sich die Lehrer hier nicht gestört, wenn sich die Schüler nach Links drehen und zusehen, wie sich wieder einer der Citation Jets fast senkrecht in den Himmel bohrt und ein begeistertes "Wie eine Rakete!" durch die Klasse tönt. Oder wenn wieder ein Flugzeug eines irischen Low-Cost Carriers startet: "Ach, schon wieder der Rainer."

Ein Highlight ist alle paar Tage etwas ganz besonderes: In Bremen hat Airbus einen relativ großen Standort, übrigens direkt gegenüber der Flugschule. Was genau hier hergestellt wird, das weiß ich nicht, aber es müssen relativ große Teile sein, denn in regelmäßigen Abständen ist hier die Beluga zu Gast, ein umgebauter Airbus A300-600, der bis vor einigen Jahren den weltweit größten Frachtraum aller Flugzeuge hatte, zumindest vom Volumen her. Einfach mal bei Google "Airbus" und "Beluga" eingeben, es sieht schon spannend aus.

Während unserer Lernphasen in den letzten Wochen sind wir immer gerne in unseren Pausen "mal eben schnell" ins Terminal, haben uns auf die Besucherterasse gestellt und dann zugesehen, wie entweder unsere älteren Mitschüler zu einer Flugstunde gestartet sind, oder sich die Embraer 190 von HOP! (das ist die Germanwings der Air France) zum Start nach Paris bereit gemacht hat. Sehr entspannend und es hält uns auch immer wieder vor Augen, wofür wir das hier eigentlich machen.

Aber nicht nur das, sondern hin und wieder kommt man auch viel näher ans Geschehen heran: Letztes Wochenende war ich auf einer Veranstaltung in Seeheim-Jugenheim, nahe Frankfurt. Auf der Rückreise am Sonntagmittag ergab sich glücklicherweise die Möglichkeit, auf dem sogenannten Observer Seat Platz zu nehmen, im Cockpit. Wenn ich den (hoffentlich) künftigen Kollegen so über die Schulter sehe, dann fühle ich mich hin und wieder noch wie ein kleines Kind, so routiniert und sicher läuft das ab. Wenn dann noch Zeit für ein Späßchen des Kapitäns bei der Begrüßung der Passagiere ist, dann weiß zumindest ich, dass es genau das ist, was ich machen möchte - Fliegen!

Mein Mittagessen letzten Sonntag - war lecker!



*das ist dann, wenn der Wind in etwa aus Richtung Westen kommt und die Flugzeuge gegen den Wind in Richtung Westen (270 Grad) starten. Piste 27 zeigt also in etwa nach Westen, während in die andere Richtung Piste 09 ist, die entsprechend nach Osten zeigt. Das bedeuten übrigens auch die Zahlen auf der Bahn.


Freitag, 4. April 2014

Lernen für den Job - und damit für's Leben

Es hat sich sicherlich schon rumgesprochen, dass eine Pilotenausbildung mit viel Lernen verbunden ist. Nun, dass kann ich bestätigen, denn schon nach den ersten zwei Wochen geht es hier schon in die Vollen - was das Lernen angeht.

Wir haben heute unseren sogenannten "Starter Course" beendet, der dann am nächsten Mittwoch noch mit der Prüfung offiziell als abgeschlossen gilt. Er dient dazu, alle Flugschüler eines Kurses auf denselben Wissensstand zu bringen und setzt auf den Grundlagen der verschiedenen Themengebiete der Luftfahrt auf. Dazu gehören Luftrecht, Grundlagen der Mathematik und Physik, Meteorologie, das Erdmagnetfeld und die Altimetrie (Lehre der Höhe - einfach gesagt, alle vorherigen Fächer zusammen).

Ganz im Gegensatz zur Schule und zur Universität besteht hier an der Schule im Unterricht immer ein ganz klarer Bezug zur späteren Tätigkeit im Cockpit und das ist auch gut so! Denn wenn man sich nach Unterrichtsschluss um 14:15 noch hinsetzt und anfängt das Gehörte zusammenzufassen, zu wiederholen und zu verstehen streichen sehr schnell sehr viele Stunden ins Land. Jedoch ist es das uns allen wert, denn nicht umsonst haben wir so lange auf den Start dieser Ausbildung gewartet. Und hier liegt noch ein großer Unterschied zur Schule: das Leistungsniveau ist ähnlich und wir pushen uns alle gegenseitig, weil wir an einander den Anspruch haben, die Prüfungen zu bestehen. Schließlich sind wir ja keine Konkurrenten - das festigt sich schnell.

Wenn man mit älteren Kursen spricht, wird das Lernen hier oft durch das Wort "klicken" ersetzt. Anfangs war uns allen noch nicht so ganz klar, was das bedeutet, allerdings haben wir jetzt schon einen Vorgeschmack darauf bekommen, was es heißt: Theorieprüfungen für Flugscheine werden in aller Regel im Multiple-Choice Verfahren abgelegt und es gibt Fragenkataloge, in denen alle Fragen enthalten sind, die später abgeprüft werden. Warum sollte sich also die Lufthansa nicht auch nach diesen Prinzipien richten und die Theorieausbildung so aufbauen?

Für jedes Fach, das hier an der Schule in Bremen unterrichtet wird, gibt es einen online abrufbaren Fragenkatalog, der einen - zum Teil - riesigen Pool an Fragen enthält. Allerdings sind nicht alles Multiple-Choice Fragen, sondern teilweise muss man Dinge schriftlich beantworten, oder Rechenergebnisse eintragen. Das variiert jedoch stark von Fach zu Fach. So gibt es im Luftrecht so gut wie nur Multiple-Choice, während man in Navigation zum Beispiel einen "Paper and Pencil" Test schreibt. Macht ja auch Sinn, wenn man in der Prüfung mit Karten und Navigationsmaterial hantieren muss.

Der Fragenkatalog für den Starter Course umfasst insgesamt 451 Fragen in allen Themengebieten. Das sieht auf den ersten Blick nicht viel aus, aber es ist durchaus nicht so, dass man alle Fragen einfach auswendig lernen könnte und somit den Test "nur mit Fleiß" besteht. Denn im Test werden die Fragen zum Teil abgeändert und es finden sich Haken darin. Aber es wird zu schaffen sein.
Mein Ausblick über das wunderschöne Bremen in den letzten Tagen

Von anderen Kursen und der Flugschule selbst wissen wir, dass an dieser Prüfung noch niemand gescheitert ist. Aber auch hier gilt ja wie immer: Ein bisschen mehr Vorbereitung als nötig hat noch niemandem geschadet und wenn wir später dann alle mit einem guten Ergebnis bestanden haben, hat sich das Ganze doch gelohnt!