Freitag, 28. März 2014

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!

Diesen Spruch hat sicherlich jeder schon einmal gehört,  gelesen, gesagt, oder gesagt bekommen. Und hier hat das auch einen ganz besonderen Grund: Wir werden hier lernen ein Flugzeug zu fliegen und dazu benötigt man einiges an Know-how und Kenntnissen über die Funktionsweise eines Flugzeugs, die Luftraumstrukturen, oder eben das Wetter. Bereits am ersten Tag sind wir schon darauf hingewiesen worden, dass es hier nicht um die Tiefe des Stoffs geht - sprich, die 5. Ableitung der 3. binomischen Formel auf einer Tragfläche sitzend mit einer Cumulunimbus Wolke zu vergleichen, sondern es geht hier um die Breite und Masse des Stoffs. Es wird also weniger das Problem sein die Materie zu verstehen, als sich alles zu merken.

Die erste Woche Unterricht war anstrengend. Wenn ich an Uni-Zeiten zurückdenke, dann war die Klausur am Ende des Semesters in weiter Ferne und kontinuierliches Lernen war für die wenigsten ein Thema. Anders ist das hier. Die Masse an Stoff macht es zwingend erforderlich, dass man das, was am Tag im Unterricht erzählt wurde Nachmittags noch einmal wiederholt, um es zu verstehen und es im Gedächtnis zu festigen. Natürlich macht das jeder auf seine Weise, aber nach dem Unterricht in der Schule zu bleiben, gemeinsam über die Themen zu sprechen und sich gegenseitig zu unterstützen erspart einem sogar das Überwinden des inneren Schweinehunds.

Es ist ja nicht so, als sei der Lufthansa nicht bewusst, dass wir viel zu lernen haben und anders als an der Uni ist es ihnen auch nicht egal, wo wir nachher mal arbeiten. Deshalb haben wir sogar extra Unterrichtseinheiten, die sich damit beschäftigen, wie man am besten den Stoff lernt, wiederholt und nachher auch behält. Das ist viel Wert!

Grundsätzlich ist unsere Ausbildung hier in zwei Theorie- und zwei Praxisblöcke eingeteilt: Zu allererst findet noch ein dreiwöchiger Starterkurs statt, den ich derzeit auch durchlaufe. Dieser dient dazu, alle Flugschüler auf dasselbe Wissensniveau zu heben, da sich die Zeit seit dem Abitur bei allen von uns zum Teil erheblich unterscheidet. Hier werden Grundlagen der Mathematik, Physik, Meteorologie, Luftrecht usw. angeschnitten und am Ende mit einem Test abgeprüft.

Nach erfolgreich abgeschlossenem Starterkurs geht es dann mit dem ersten Theorieblock weiter. Dieser wird bis Anfang September dauern und mit einer Art Klausurenphase, den sogenannten 1. Intermediates - oder Internen -  abgeschlossen. Hier muss man stark unterscheiden, denn gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich die Theorieprüfung beim Luftfahrtbundesamt (LBA) in Braunschweig. Alle anderen Tests sind Lufthansa-interne Prüfungen, die gesetzlich keine Relevanz haben, für die Verkehrsfliegerschule aber sicherstellen, dass die Schüler eine kontinuierliche Leistung bringen. Das ist zum Beispiel einer der Punkte, der die Lufthansa-Pilotenausbildung so besonders macht.

Aber der Reihe nach: Wenn die ersten Intermediates erfolgreich waren, dann geht es endlich nach Phoenix zum Fliegen ins Airline Training Center Arizona (ATCA). Das ist die Zeit, auf die sich die Flugschüler am meisten freuen. Endlich fliegen - auch ganz alleine - über der Wüste Arizonas, große Autos und der American Way of Life - vier Monate lang. Da ich es selbst nur aus Erzählungen kenne werde ich dann beizeiten ausführlicher berichten.

Zurück aus Phoenix geht es dann an den zweiten Theorieblock. Thematisch sind beide Blöcke so aufgeteilt, dass man sich im ersten eher mit der Theorie kleinerer Flugzeuge, oder der allgemeinen Luftfahrt (für Kenner General Aviation oder GA) auseinandersetzt und im zweiten dann mit der Theorie für größere Flugzeuge - oder eben Airliner. Wenn der zweite Block mit den zweiten Intermediates erfolgreich abgeschlossen wurde, dann steht die Prüfung beim LBA an. Hierfür lernt man aus einem riesigen Fragenkatalog mehrere tausend Fragen und schreibt dann über zwei Tage die Prüfung in verschiedenen Fächern. Sehr viel Vorbereitung, aber durchaus zu schaffen habe ich mir sagen lassen. Wir werden sehen.

Am Ende der Ausbildung steht dann noch die zweite Praxisphase hier in Bremen. Auf den kleinen Citation Jets (siehe Foto im Blogeintrag vom 21.03.) geht es dabei quer durch Europa und man wird hier dann auf die spätere Tätigkeit als Copilot vorbereitet. Das liegt aber noch in ferner Zukunft.

Back to the roots: Der Aviat ist eine Art Rechenschieber, um schnell Einheiten umzurechnen, zu multiplizieren oder  dividieren
Mein Kurs ist ein bunt gemischter Haufen - rein im positiven Sinne! Wir sind in Alter, Typ und Hintergrund alle sehr unterschiedlich, das macht uns aber auch zu einem guten Team. Und das ist auch der Anspruch, den wir alle an einander haben. Wir sind hier nämlich keine Konkurrenten, sondern im Prinzip schon Kollegen. Gestern fand an der Verkehrsfliegerschule einer der (wohl) legendären Barabende statt, zum 10-jährigen Jubiläum des 332., 333. und 334. NFFs. Auch nach 10 Jahren konnte man genau erkennen, wie gut sie sich verstanden haben und einfach immer noch als Team aufgetreten sind. Das ist wirklich bemerkenswert und das wünsche ich mir auch!

Freitag, 21. März 2014

Wie und wo alles anfing

Das hier ist wirklich eine Premiere für mich. Mein wirklich erster Blogpost - jemals. Zugegebenermaßen war ich in sozialen Netzwerken bisher nicht der aktivste. Alle paar Wochen mal ein Post bei Facebook, mal hier ein "like", mal dort ein Kommentar. Das war auch ok so, schließlich stand ich ja auch in meinem gewohnten Alltag und das wahrscheinlich noch die nächsten Jahrzehnte. Aber jetzt steht etwas an, das es schon verdient hat, mit einer größeren Anzahl an Menschen geteilt zu werden. In den letzten Monaten habe ich so oft die Geschichte erzählt, die mich schlussendlich hier nach Bremen gebracht hat und habe festgestellt, dass das ganze Thema Pilotenausbildung nicht nur bei mir eine große Faszination auslöst. Aus diesem Grund soll dies in Zukunft die Plattform werden, auf der ich immer wieder mal meine Erfahrungen und Erlebnisse veröffentlichen will. Am Anfang ist man immer ambitioniert und schwört sich, wöchentlich einen seitenlangen Blogeintrag zu schreiben. Nun, ich will diese Erwartung von Anfang an klein halten und gar nicht erst aufkommen lassen ;-). Normalerweise wünscht man an dieser Stelle dann auch "viel Spaß beim Lesen", was hiermit getan ist!

In letzter Zeit bin ich oft gefragt worden, ob der Entschluss Pilot zu werden spontan kam, weil ich die letzten Jahre schon am Schreibtusch gesessen habe. Diese Frage habe ich dann immer ganz entschlossen mit "Nein" beantwortet, denn der Wunsch Pilot zu werden, der lebt in mir seit meiner frühesten Kindheit. Ich erinnere mich daran, dass meine Eltern mal erzählt haben, dass eines meiner ersten Worte "Cop Cop" war, gepaart mit dem kleinen Zeigefinger in Richtung des vorbeifliegenden Hubschraubers. Und so zog sich das weiter über meine gesamte Kindheit und Jugend hinweg hin. Die größte Freude konnte man mir mit Flugzeugbüchern und jeglichem Krempel, der mit Luftfahrt zu tun hatte, machen. Schon als Kind konnte ich stundenlang an irgendeinem Aussichtspunkt am Flughafen stehen und startende und landende Flugzeuge beobachten. Das liebe ich bis heute. Wenn mich Leute in diesem Zusammenhang manchmal als Freak bezeichnen, gebe ich ihnen Recht... und bin stolz darauf.

Aber warum entschließt man sich dazu, mit 27 noch mal ganz auszusteigen und von vorne anzufangen? Tja, hier wird die Geschichte interessant:
Bei der Lufthansa kann man sich im Leben nur ein einziges Mal auf die Pilotenausbildung bewerben. Das war mir immer klar und das war eine Karte, die ich nie verspielen wollte. Als ich das erste Mal darüber nachdachte, was nach dem Abitur passieren sollte, hatte ich natürlich die Pilotenausbildung auf dem Schirm, hatte aber von einem Fall gehört, wo ein fertiger Lufthansa Pilot mit Ende 30 an Diabetes erkrankt war und medizinisch fluguntauglich wurde. Da er keine weitere Ausbildung hatte verfiel er in eine Sinnkrise und begann in seiner Verzweiflung ein Studium. Sich in diesem Alter, mit Familie noch einmal dazu aufzuraffen, sich in Vorlesungen zu setzen und Klausuren zu schreiben, das erfordert eine ganz beachtliche Menge Disziplin. In diese Situation wollte ich nie verfallen und entschied mich deshalb zuerst für ein Studium. "Danach kann ich mich ja immer noch bewerben", sagte ich mir damals. Denkste! Denn nach diesem Studium gab es mit einem Mal die Möglichkeit des ersten Jobs bei Lufthansa und das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Endlich Geld verdienen und auf eigenen Beinen stehen! Aber in den ganzen Jahren am Schreibtisch hatte ich immer das Gefühl, noch nicht angekommen zu sein, ich hatte den Plan mit der Pilotenausbildung nie ganz zur Seite gelegt. Immer, wenn es im Job mal wieder nicht so ganz lief, besuchte ich http://www.lufthansa-pilot.de und guckte mir aktuelle Wartezeiten, Bewerbungsverlauf und Erfahrungsberichte an. Aber wirklich zünden tat es dann erst im Januar 2012, als ich mir "jetzt oder nie!" sagte. Ich stand kurz vor dem Wechsel des Jobs und hatte irgendwie das Gefühl, dass das der richtige Zeitpunkt sei. Und so öffnete ich dann schließlich in der Bewerbungsmaske - ich hatte mich seit 18 Monaten nicht eingeloggt - mein Profil und meine Bewerbung war gelöscht worden. Also legte ich sie noch einmal an und schickte die Bewerbung ab.

Ein paar Tage später kam dann Post von Lufthansa mit der Einladung zur sogenannten BU - der Berufsgrunduntersuchung in Hamburg beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR. Datum war der 17. April 2012 und so hatte ich knappe drei Monate Zeit zum lernen - wohlgemerkt neben dem neuen Job, wo es auch nicht wenig zu tun gab. Aber ich hatte Ostern und das nutzte ich dann auch ausgiebig und machte über die Feiertage Stunde um Stunde  Computertests. Von den ca. 70 Leuten, davon die meisten jüngere Semester, ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Wirklich zu verlieren hatte ich ja nichts. Hätte es nicht geklappt, wäre alles so weiter gegangen wie bisher. Mein Ziel war das aber natürlich nicht.

Etwa eine Woche nach der BU hatte ich dann die langersehnte Post im Briefkasten, einen DIN A5 Umschlag. Wer vorher die unzähligen Forenbeiträge unter www.pilotenboard.de gelesen hatte, dem war sofort klar, dass das nur die positive Nachricht sein konnte. Da ich diese ganzen Beiträge nicht gelesen hatte, wusste ich das nicht. Aber ich wurde ja nicht enttäuscht. In dem Briefumschlag befand sich die Einladung zur sogenannten FQ - der Firmenqualifikation.

Diese fand am 26./27. Juli 2012, wieder beim DLR in Hamburg statt. Man spricht hier von einem der härtesten Auswahlverfahren Deutschlands und ausnahmsweise würde ich auch nicht behaupten, dass das übertrieben ist. Zwar fehlt mir der Vergleich mit anderen schweren Assessment Centern, aber die zwei Tagen in Hamburg haben mich schon ganz schön geschafft. Psychologengespräche, Gruppenaufgaben, Streitgespräche, Firmeninterview, Simulatorflug und ewige Wartezeiten hatten es schon in sich und als ich am 27. Juli gegen 18:00 das Gebäude an der Sportallee 54 bei schönstem Wetter verließ, war ich nicht nur tierisch erleichtert, dass es geschafft war, sondern auch glücklicher Träger einer Empfehlung für die Flugschule in Bremen.

Bis zu diesem Zeitpunkt wussten von der ganzen Geschichte vielleicht gerade einmal 5 Leute - mich selbst eingeschlossen. Meinen Eltern und den meisten Freunden hatte ich verschwiegen, dass ich es dann doch noch bei Lufthansa versuchen wollte und jetzt war es an der Zeit, die freudige Botschaft bei Eltern, Schwester und im Freundeskreis zu verkünden. Da wussten wir ja noch nicht, was noch kommen würde.

Einer der großen Vorteile bei Lufthansa zu arbeiten ist, dass ausnahmslos jeder Kollege und Vorgesetzte die Entscheidung Pilot zu werden voll und ganz mittragen wird. Und so konnte ich von Anfang an offen kommunizieren, dass ich Lufthansa Cargo verlasse, um irgendwann nach Bremen zu gehen. Das rettete mich ein Stück weit, als an einem Freitagabend im Oktober 2012 erste Pressemeldungen aufpoppten, dass Lufthansa die Pilotenausbildung im Jahr 2013 aussetzen werde. Auch die Pilotenausbildung stand unter den wachsamen Augen von SCORE (Stay Cool Or Retire Early) und mangelnder Bedarf an den sogenannten NFFs (Nachwuchsflugzeugführern) forderten ihren Tribut. Also hieß es warten, warten und warten. Aber wie sagte der ehemalige Ministerpräsident BaWüs einst schon: "Wi ah oll sidding inn wonn Boot!" So war es und so ging die Zeit vorbei. Zum 19.03. habe ich Lufthansa Cargo verlassen.
Der 411. NFF am 20.03.2014 vor einer Cessna Citation CJ1+ der Lufthansa Flight Training
Gestern hat mein Kurs, der 411. NFF, offiziell hier in Bremen begonnen. Wir sind gebührend empfangen worden und fühlen uns, nach nur einem Tag, schon als Teil des Ganzen. Sicherlich wird es eine sehr anstrengende, aber auch sehr lustige Zeit werden. Und eine Verbundenheit zu Bremen und der Schule wird auch laut der Aussage vieler älterer Semester ein Leben lang bestehen bleiben. Ich bin gespannt!